Rhein-Neckar-Zeitung vom 9.8.2002
 
Bergbahn-Pläne stoßen auf Widerstand
 
Hölzerne Bahn "sicherer als die Kapruner Bahn" - Verkehrsingenieur hat Zweifel am Gutachten
rok. Wenn die "Betriebssicherheit der Heidelberger Bergbahn gewährleistet" ist, wie das Landesamt für Geologie, Rohstoffeund Bergbau (siehe gestrige Ausgabe) mitteilte, warum muss sie dann im nächsten Jahr ausgetauscht werden? Die gleiche Behörde habe ihr doch erst im vergangenen Jahr die völlige Unbedenklichkeit bescheinigt, fragt sich Verkehrsingenieur Robert Wittek-Brix, Chef der Verkehrsberatungs- und Betreibergesellschaft LTE.
Die Fans der alten und unter Denkmalschutz stehenden Bergbahn formieren sich offenbar. Viele Heidelberger wollen den Charme der 95-jährigen Holzbahn erhalten sehen. Dass eine Überprüfungdurch die zuständigen Behörden nötig ist, sehen Fachleute wie Wittek ein. Der technische Zustand der Bahn müsse modifiziert werden, das Erscheinungsbild soll aber, bitteschön, so bleiben, wie es ist.
Wittek tritt dem eventuellen Eindruck entgegen, die HSB habe möglicherweise jahrelang geschlafen und "ein unsicheres Verkehrsmittel betrieben". Im Gegenteil: Die hölzerne Bahn sei sicherer als neue Wagen, auch beispielsweise als die Unglücksbahn im österreichischen Ferienort Kaprun. Denn: Es fehlen ihr die gefährlichen Dinge wie Dämmstoffe und Verkleidungen aus Kunststoff, die im Brandfall giftige Gase freisetzen. Die alte Heidelberger Bergbahn hat eine mechanische Fangbremse, neue dagegen eine hydraulische mit dem entsprechenden leicht entzündbaren Hydrauliköl.
Die HSB habe regelmäßig und aufwendig so genannte Schlaffseilproben durchgeführt: Die Bahnen wurden mit schweren Steinquadern gefüllt, um die Fahrgastbesatzung zu simulieren, dann klinkte man das Seil aus und ließ die Wagen zu Tal "rauschen", ein paar Meter allerdings nur, dann wirkte die Fangbremse. Auch bei Katastrophenübungen von Feuerwehr und anderen Einrichtungen - die letzte vor anderthalb Jahren - habe es keine Probleme gegeben. Aus Sicht des Brandschutzes lief die Übung mit Bergung von Fahrgästen reibungslos; der Notausstieg habe sich als groß genug erwiesen.
Verkehrsingenieur Wittek hegt seine Zweifel am Gutachten, das jetzt zum kompletten Austausch der Bergbahnen führen soll. Richtig sei, dass man nach der Kapruner Katastrophe sensibel reagiert. In Stuttgart aber sprach Witteck mit dem Betriebsleiter des dortigen Nahverkehrsunternehmen, das eine identische Bergbahn betreibt. Das Erstaunliche: Die alte Holzbahn zum Stuttgarter Waldfriedhof muss nicht ausgetauscht werden. "Da gibt es keinen Stilllegungsbeschluss."
EU-Vorschriften fordern von der Technik der Bergbahn einen bestimmten Standard. Der sei, sagt der Verkehrsfachmann, durchaus zu bekommen - auch ohne das Äußere wesentlich zu verändern. Ein Beispiel aus Dresden zeige, dass es Möglichkeiten gibt, die Treibradtechnik in den Stationen beizubehalten. Im Übrigen glaubt Wittek, dass die EU-Vorschriften zu Unrecht herangezogen worden seien.
Der Beschluss, Heidelbergs Bergbahn auszutauschen, stützt sich auf ein Gutachten, das ein privates Unternehmen im Auftrag der HSB erstellte. Verkehrstechnisch hat Wittek erhebliche Bedenken; teilweise sei das Gutachten das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde. So gebe es vor, dass die Spurweite der Bergbahn exakt auf einen Meter festzulegen sei. Das aber entspreche nicht den technischen Gegebenheiten. Denn an den Weichen braucht der Wagen, der nur auf einer Seite von Schienenrädern geführt wird, auf der anderen von einer breiten Rolle, einen gewissen Spielraum.
Der Vorschlag des Gutachters, rechts und links der Bergbahnstrecke jeweils zehn Meter Wald zu roden, löst bei dem Verkehrsingenieur Kopfschütteln aus. Hintergrund ist der Fall der Fälle: Wenn Bäume bei einem Orkan auf die Schienen stürzen, werde die Gefahr durch einen 20 Meter breite Schneise minimiert. Doch: Die Bäume sind gut und gern 25 Meter hoch. Außerdem sei der landschaftliche Schaden durch die breite Schneise viel zu gravierend.
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