Südwest Presse vom 08.07.2003
VERKEHR / Stuttgarter Standseilbahn wird modernisiert

In dreieinhalb Minuten hoch zum Waldfriedhof

 
87 Höhenmeter liegen zwischen Heslach und dem Waldfriedhof. Seit 74 Jahren fährt eine Standseilbahn auf dieser Strecke. Die Kabinenwagen sind zwar längst im Rentenalter. Ausgedient haben sie aber nicht. Die Bahn wird nachgerüstet, eine Stilllegung ist endgültig vom Tisch.
LSW
STUTTGART Zwei Mal tutet es laut und eilig, dann geht es los.Der Fahrer drückt einen kleinen orangefarbenen Knopf und das Holzgefährt ruckelt vom Stahlseil gezogen langsam aufwärts. Die beiden rotbraunen Kabinenwagen der Stuttgarter Standseilbahn schaffen im Zwölf-Minuten-Takt ihre 87 Höhenmeter von Stuttgart-Heslach zum Waldfriedhof und zurück - und das seit 74 Jahren.

Zeit für etwas Schönheitspflege und moderne Technik. Im November wird deshalb nach dem Willen des Aufsichtsrats der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) nachgerüstet. Überlegungen von einer Stilllegung der Bergbahn sind vom Tisch: "Wir sind sehr froh, dass der Weiterbetrieb gesichert ist. Nach sechs bis neun Monaten Umbau kann es wieder losgehen", versichert Birte Schaper von den SSB.

Auch Axel Noack ist froh, dass "seine" druckknopfgesteuerte Standseilbahn noch nicht aufs Abstellgleis kommt. Seit zwei Jahren ist er Fahrer auf dem nostalgischen Transportmittel und legt täglich bis zu 75 Mal die 536 Meter Schienen zurück. Und das mit alter Technik: Die zwei Teakholzwagen der Bahn hängen an den Enden eines gemeinsamen Stahlseils, das auf Rollen zwischen den Schienen läuft.
Die Bahn, die nach unten fährt, zieht den Zwillingswagen nach oben. In der Mitte teilen sich die Schienen, beide Kabinen kommen bequem aneinander vorbei. "Mit einem Knopfdruck schicke ich den Abfahrtsbefehl an die Automatik. Die Bahn fährt aber erst los, wenn auch mein Kollege den Befehl per Knopfdruck bestätigt hat", erklärt Noack.
Im Keller der Bergstation, dem Herzen der Standseilbahn, sind zwei riesige Räder und ein Motor von 1929 dafür verantwortlich, dass es unermüdlich auf und ab geht. Der Antrieb der Seilbahn, Bremsen und die Elektrik sollen im Herbst erneuert werden. Rotbraunes Teakholzgehäuse, Mahagonisitze und Emailschilder sollen aber bleiben: High Tech mit Vorkriegscharme.
Die Modernisierung wird drei Millionen Euro kosten. In Zukunft soll die Bergbahn statt 14 Stunden nur noch neun Stunden täglich im Einsatz sein. Das spart jedes Jahr 200 000 Euro Betriebskosten.
Nur dreieinhalb Minuten hat die Fahrt nach oben gedauert. Für Noack reine Routine. Seit 16 Jahren fährt er bei den SSB alles, was Schienen braucht: Straßenbahnen, Stadtbahnen, die Zahnradbahn. Nach vier Wochen Zusatzausbildung ist er auch für alle Notfälle auf der Standseilbahn vorbereitet. "Ich muss die Bahn von Hand fahren können, muss kleinere technische Defekte selbst beheben und im Notfall die Bahn evakuieren können."
Große Probleme gab es noch nie. Allein die tägliche Endstation ist ein Roulettespiel: wenn Axel Noack um halb neun abends zufällig die Bahn nach oben erwischt, muss er zu Fuß zurück zur Talstation.
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