Stuttgarter Zeitung vom 11.2.2003  
 

Mit Fahrscheinen zur Demonstration auf Rädern

 
Freunde der Seilbahn wehren sich gegen Betriebseinstellung - Neue Sicherheitsmaßnahmen sollen drei Millionen Euro kosten
Wird die Standseilbahn am 30. Juni zum letzten Mal von Heslach zum Waldfriedhof fahren? Die Initiativgruppe Seilbahn Stuttgart wendet sich gegen die drohende Einstellung und fordert, die Bahn in touristische Nutzungskonzepte einzubinden.
Von Jochen Mayer
"Fährt sie noch, oder ist der Betrieb schon eingestellt? Man hört da ja so einiges." Der Mann, der zu dem hölzernen Wagen eilt, ist verunsichert. Er spricht die Gruppe an, die sich am Montagvormittag vor der Talstation eingefunden hat. Es sind keine normalen Fahrgäste, sondern Demonstranten. Ihre Plakate sind ganz klein: normale Fahrscheine.
Demonstrieren will die Initiativgruppe Seilbahn Stuttgart, die sich aus der Stadtgruppe Stuttgart des Schwäbi-schen Heimatbundes, der Ortsgruppe Stuttgart des Schwäbischen Albvereins und dem Verschönerungsverein der Stadt Stuttgart zusammensetzt. "Wir wollen heute mal die Kasse etwas füllen, damit das Defizit der Bahn wenigstens ein bisschen kleiner wird", erklärt Wolfgang Müller, der stellvertretende Vorsitzende des Verschöne-rungsvereins. So ist auch keine Aggression zu spüren, nicht ein Streifenwagen ist zu sehen. Allenfalls macht sich unter den rund 30 versammelten Befürwortern Unverständnis breit. "Der Unfall der Kapruner Bergbahn war gewiss tragisch, doch man kann die dortigen Gegebenheiten nicht mit dem verkehrspolitischen Schmuckkäst-chen in Stuttgart vergleichen", sagt Stefan Frey, der Vorsitzende der Stadtgruppe Stuttgart des Schwäbischen Heimatbundes. Und diesen Tenor hört man immer wieder unter den vorwiegend älteren Fahrgästen.
Dass nach dem Unglück an der Bergbahn von Kaprun die Sicherheitsauflagen für Seilbahnen erheblich ver-schärft worden sind, könnte zum 30. Juni 2003 das Aus für die Stuttgarter Seilbahn bedeuten. Zum Beginn des zweiten Halbjahrs erlischt die Betriebsgenehmigung. Die Rettung wäre allenfalls eine komplette Modernisierung der Bahn, die aber - nach Schätzungen der Straßenbahngesellschaft - drei Millionen Euro kosten würde. Die Finanzierung dieses Betrags ist offenbar das größte Hindernis, das dem Weiterbetrieb der am 17. November 1929 in Dienst gestellten Seilbahn im Wege steht.
Um diese Investition rentabel zu machen und auch das jährliche Defizit von 900 000 Euro bei 110 000 Fahr-gästen zu verringern, fordert die Initiativgruppe eine bessere Vermarktung dieses Technologiedenkmals. "Stuttgart schafft es nicht, die Attraktionen, die es von anderen Städten abhebt, zu erhalten", kritisiert Stefan Frey. Er übergab eine Erklärung zum Erhalt der Seilbahn an Klaus Lindemann, der Geschäftsführer von Stuttgart-Marketing. Der Brief ging auch an Oberbürgermeister Schuster und an den Gemeinderat, in dessen Ausschuss für Umwelt und Technik heute über den Fortbestand der Bahn beraten wird. Am vergangenen Freitag hatte sich bereits der Ortsverein Süd der Stuttgarter SPD für die Seilbahn eingesetzt.
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