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Stuttgarter
Nachrichten Online vom 7. Feruar 2003 |
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Joe
Bauer in der Stadt |
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Die
Seilschaft |
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Es war
kalt an diesem Morgen in Heslach. Ich glaube, es war an diesem Morgen in
Heslach kälter als in Botnang. Dabei hatte ich bis gestern - ohne etwa
Rumsfelds kubanische oder libyschen Maßstäbe anzulegen - Botnang
für den kältesten Teil der Stadt gehalten. |
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Ich war
ein gutes Stück unterwegs. Erst kam ich die Treppen aus der höheren
Halbhöhenlage über der Brauerei Hofbräu herunter. Danach
stapfte ich Richtung Kaltental. Es ist mir ein Rätsel, wie man in einem
Stadtteil überleben kann, der Kaltental heißt. |
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In Höhe
des Seilbahnhofs legte ich eine Gedenkminute ein. Es heißt, die Seilbahn
müsse womöglich stillgelegt werden, weil ihre Renovierung zu teuer
käme. |
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Es gab
Zeiten, da war die Seilbahn S-Klasse. Vor 25 Jahren fuhr jährlich eine
Viertelmillion Menschen mit der Seilbahn, die meisten hinauf zum Waldfriedhof.
Heute steigen nur noch halb so viele ein, obwohl es nicht erheblich weniger
Leichen gibt als früher. Im "Heslacher Blättle", dem
Zentralorgan des Stadtteils, das ich mir in einer Apotheke griff, steht
ein langer Aufsatz von Wolfgang Kress über die Seilbahn. Er beschreibt
hier unter anderem die letzte Fahrt des Hindenburgbau-Gastronomen Hugo Greiner,
der am 19. Januar 1931 "unter großer Anteilnahme" auf dem
Waldfriedhof beerdigt wurde. Die meisten Trauergäste, darunter viele
Wirtskollegen, kamen mit der Seilbahn. Irgendwann streikte die Bahn, sie
stoppte unterwegs und fuhr zurück "in die Talstation" (wie
in St. Moritz). "Der nicht voll besetzte Wagen war überladen",
schreibt Wolfgang Kress, "denn Gastronomen waren damals nicht nur politisch
gewichtige Männer." |
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Das muss
zu einer Zeit gewesen sein, als der Mittelstand noch nicht am Hungertuch
nagte. Gestern beispielsweise streikte nicht etwa die Seilbahn in Heslach,
sondern der Mittelstand in der Innenstadt. Der ganze Mittelstand, nicht
nur die Gastronomie, besteht bis zum heutigen Tag aus politisch gewichtigen
Männern und Frauen. Kein Mensch hätte sich je vorstellen können,
dass ein selbstständiger Klempner, ein Tabakhändler oder ein Bäcker
am helllichten Tag die Arbeit niederlegt und demonstriert. |
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Die letzte
Demo in Zusammenhang mit dem Mittelstand hab ich erlebt, als ich in die
Schule ging. Damals, es war in den Sechzigern, vor dem Stimmbruch, hatte
der Schulbäcker die Brezel von circa zwölf auf 15 Pfennig erhöht,
und den Wurstwecken sowieso. Eines Morgens standen vor seinem Wucherladen
hundert entschlossene Jungs mit einem Transparent: "Unser Boykott macht
dich bankrott". |
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Der Boykott
hielt nicht lange, weil bekanntlich zuerst das Fressen kommt und dann die
Moral. Unsere oppositionelle Seilschaft, lange vor Rumsfelds germanyschen
Erkenntnissen vom kubanischen Geist beseelt, war für immer gescheitert. |
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