Rhein-Neckar-Zeitung vom 19.09.2003
Ab Juli 2004 fährt die alte Bergbahn wieder
Die HSB lässt die Wagen und die komplette Anlage von der Firma restaurieren, die die Bahn bereits 1907 gebaut hat
Von Peter Wiest
Der Proteststurm der Heidelberger Bürger und die Einwände des Gemeinderats hatten Erfolg: die historische Bergbahn bleibt originalgetreu erhalten. Die obere Bergbahn zwischen Molkenkur und Königstuhl wird ab November komplett restauriert; die untere Bahn zwischen Kornmarkt und Molkenkur wird umgebaut und total erneuert.
Nachdem zum 30. April dieses Jahres die obere Bergbahn vom Landesbergamt in Freiburg stillgelegt wurde (die RNZ berichtete), hatten zahllose Heidelberger befürchtet, dass damit für die beiden historischen Wagen dieser Bahn das letzte Stündlein geschlagen hätte. So waren es wirklich „rundum gute Nachrichten", die HSB-Vorstand Manfred Vogt gestern verkündete: „Wir haben eine Lösung gefunden, bei der die obere Bergbahn mit ihren einmaligen historischen Anlagen, das heißt mit beiden Fahrzeugen und dem historischen Antrieb, vollständig erhalten bleibt".
Eine solche Lösung wurde möglich, nachdem die Schweizer Spezialfirma „Garaventa Seilbahntechnik AG" mit Sitz in Thun Interesse an den Arbeiten signalisierte. Diese Firma ist die gleiche, die schon im Jahr 1907 den Bau der oberen Bergbahn durchführte. Dies war damals die erste Bergbahn überhaupt mit elektrischem Antrieb; sie ist bis auf den heutigen Tag in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben. Bei Garaventa fanden sich sogar noch Original-Pläne aus dem Jahr 1907, die bei der jetzt anstehenden umfassenden Werksrevision ausgesprochen nützlich sein werden, berichtete Vogt gestern.
Mit den Arbeiten an der Bergbahn wird nach dem 1. November begonnen; bis dahin wird die untere Bahn noch fahren. Die Schweizer Spezialfirma wird danach die beiden historischen Wagen der oberen Bahn mit einem Kran auf Schwertransporter hieven und sie in die Schweiz bringen, wo die Wagen komplett zerlegt, die wichtigsten Komponenten auf Festigkeit geprüft und gegebenenfalls einzelne Teile ausgewechselt werden: „Selbstverständlich", so Manfred Vogt, „mit identischem Holz und adäquaten Materialien" . Garaventa wird unter anderem auch dafür sorgen, dass die Türverriegelungen der alten Wagen von innen geöffnet werden können, wie vom Landesbergamt gefordert. Die schmalen Türen, gerade mal 42 Zentimeter breit, werden durch einen Kunstgriff erweitert: es wird eine Art „zweite Tür" unmittelbar neben den Einstiegen geschaffen, die jedoch im Normalbetrieb geschlossen bleibt. Dadurch ergibt sich für Notfälle eine Ausstiegsbreite von 65 Zentimetern.
Parallel zu diesen Arbeiten wird in Heidelberg die technische Anlage der oberen Bahn, die im Wesentlichen noch aus dem Jahr 1907 stammt, auf Vordermann gebracht. Die Seilbefestigung wird auf ein neues System umgestellt; beim Antrieb werden die fehlenden Bremsen und die Antriebsscheibe ergänzt, die Antriebswelle erneuert und der nicht mehr erlaubte Flachriemenantrieb durch Keilriemen ersetzt. Der offene Elektromotor in der Königstuhl-Station wird mit Plexiglas abgedeckt. Wichtig bei all diesen Arbeiten, so Manfred Vogt: „Die Veränderungen sind nicht erkennbar und stören nicht den historischen Gesamteindruck".
Die untere Bahn zwischen Kornmarkt, Schloss und Molkenkur wird vollständig erneuert. Dabei werden zwei neue, größere Fahrzeuge beschafft, mit denen 130 Personen und damit deutlich mehr als bisher befördert werden können. Die Stationen Kornmarkt und Schloss werden modernisiert und behindertengerecht gestaltet. Besonders die Talstation am Kornmarkt soll dabei „endlich zu einem repräsentativen Zugang für die Bergbahn werden", so Manfred Vogt.
Die HSB veranschlagt für all diese Maßnahmen ein Summe von insgesamt 10,9 Millionen Mark. Die Umbaumaßnahmen werden nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungs-gesetz des Landes bezuschusst, wahrscheinlich mit 75 oder mehr Prozent; die Arbeiten an den Fahrzeugen und den technischen Einrichtungen sind zu 50 Prozent zuschussfähig.
Spätestens nach dem 30. Juni 2004 soll die Bergbahn wieder fahren, sagte Manfred Vogt: „Das hat uns Garaventa vertraglich zugesichert und garantiert".
[Bildunterschrift:] Nur vorübergehend müssen sich die Heidelberger von den historischen Wagen der oberen Bergbahn (links) verabschieden, die restauriert werden und bald wieder fahren. Die Wagen der unteren Bahn (rechts) dagegen werden durch neue ersetzt. Fotos: Alex/Kresin
<<
aktion bahn bilder home kontakt legal info links meinung presse recht über uns