MEIER
/ 07 03 |
Der Berg ruht |
Aus
für die Heidelberger Bergbahn |
Seit
1. Mai fährt die historische Standseilbahn zwischen Molkenkur und
Königstuhl nicht mehr. Die baden- württembergische Aufsichtsbehörde
für Seilbahnen hat die fast Hundertjährige vorerst in die Garage
gesperrt. Aus Sicherheitsgründen, Für die Geschäftsleute
auf dem Königstuhl ist das der GAU. |
Durchhalten!
Durchhalten! - so heißt das Mantra von Frank Raasch. Dabei wirkt
der Berghotel-Besitzer nicht gerade wie ein Typ, der gleich in der ersten
Steilwand schlapp macht. Frank Raasch ist ein drahtiger jungUnternehmer,
der sich auch HerkulesAufgaben zutraut, wie zum Beispiel den Restaurant-Betrieb
am Königstuhl wieder in Schwung zu bringen. Vor einem Jahr haben
Raasch und sein Partner Lutz Tauchert sich in das verwaiste Berghotel
verliebt und zugegriffen: 450 Restaurant-Plätze, eine Terrasse, von
der man an guten Tagen bis zum Straßburger Münster sehen kann.
Doch in der Kurhausidylle kann man auch in Abgründe schauen. "Unser
Vorgänger hat zum Schluss nichts mehr investiert", erklärt
Raasch, warum er von einer Renovierung in die nächste stolpert. |
Doch
der 29. April ist bisher der schwärzeste Tag gewesen. "Die obere
Bergbahn darf ab 1. Mai 2003 nicht mehr fahren", teilte die Heidelberger
Straßen- und Bergbahn (HSB) überraschend mit. Zwar hatte die
Technische Aufsichtsbehörde in Freiburg bereits im Juli 2002 gedroht,
die Standseilbahn aus dem Jahr 1907 aus dem Verkehr zu ziehen, doch es
gab Gerüchte, dass die Frist bis Oktober verlängert werde. Die
Sommersaison wäre gerettet gewesen. Jetzt müssen Raasch und
Tauchert neu kalkulieren. Der Umsatz ist sofort eingebrochen. 12 der 20
Mitarbeiter mussten entlassen werden. Raasch: "Ohne Bergbahn trägt
sich das Haus nicht." |
Mancher
hat es schon früher geahnt. |
Auch
dem Märchenparadies-Besitzer, Wolfgang Mouhlen, hat die Schließung
der Bergbahn die Sorgen ins Haus gespült. "Das regt mich auf,
obwohl wir schon geahnt haben, dass so etwas mal passieren kann",
sagt Mouhlen sichtlich aufgewühlt. Unter Jahrhunderte alten Bäumen
liegt sein Park, eine Kinderattraktion mit kleinen Fliegenpilz- und Hexenhäuschen.
Dazwischen ist Mouhlen - ein richtiger Käpt'n Blaubär mit schlohweißem
Bart und Haar - kaum zum Stillsitzen und Erzählen zu bewegen. Seine
Frau und er haben das Märchenparadies 1975 übernommen und in
550 Meter Höhe fünf Kinder groß gezogen. Ursprünglich
hatten Stadt und HSB den Park geplant. Da mit öffentlichen Dienstplänen
keine Rentabilität zu erreichen war, gab die Stadt das Objekt an
die Mouhlens ab. Die haben mit der Bergbahn kalkuliert und jetzt die Quittung
bekommen. "Wir haben 20 Prozent weniger. Das ist unsere Ertragskraft",
rechnet Mouhlen den Ernst der Lage vor. |
Etwas
abseits liegt die Landessternwarte mitten im Wald: ein rotes Backsteinhaus,
1898 gegründet, neun wissenschaftliche Planstellen. Für die
Himmels-Forscher war die Bergbahn nie das Fortbewegungsmittel der Wahl.
Begründer Max Wolf stieg zu Fuß hoch, die Mitarbeiter heute
kommen mit dem Auto, ebenso wie die meisten Besucher. "Wir merken
den Wegfall kaum. Aber am Tag des Denkmals im September werden wir wohl
weniger Gäste haben", kalkuliert Oliver Mandel mit der Gelassenheit
eines Astrophysikers. Trotzdem nehmen die Wissenschaftler an der MarketingOffensive
Königstuhl teil. "Wir haben den Berg geeint", sagt Frank
Raasch stolz Mit der Plakat-Aktion "Königstuhl, dein nächstes
Ausflugsziel" ziehen alle an einem Strang. |
Dorn
im Auge - Hintergrund |
Hat
es die HSB vermasselt? Oder können Sicherheitsbürokraten den
Wert des technischen Denkmals nicht würdigen? "Der HSB-Vorstand
hat gepennt", haben sich SPD und CDU auf den neuen HSB-Chef Manfred
Vogt eingeschossen. Der hat einen rabenschwarzen Einstand erwischt. Denn
die Freiburger Sicherheitswächter lauerten schon, als er im vergangenen
Jahr den Posten übernahm. "Als wir auf die HSB zugegangen sind,
war sie gerade kopf- und führungslos. Wir haben gewartet, bis der
neue Vorsitzende im Amt war", so Sicherheitsbeamter Joachim Schäfer.
Seit 14 Jahren prüft er Baden-Württembergs Seilbahnen auf Herz
und Nieren. Die Heidelberger Ruckelbahn ist ihm seit langem ein Dorn im
Auge: "Antrieb, Bremse und Steuerung sind meilenweitvon den Vorschriften
entfernt." Die Verschärfung der Auflagen aufgrund der Katastrophe
in Kaprun waren für ihn wohl ein geeigneter Anlass, der Bahn den
Saft abzudrehen. "Heidelberg ist nie seinen Verpflichtungen nachgekommen."
Doch nun wollen die Heidelberger zupacken: 10,6 Millionen Euro sind veranschlagt,
um die untere, ebenfalls modernisierungsbedürftige Bahn und die obere,
still gelegte Bahn wieder flott zu machen. Am 1. Mai 2004 sollen sie wieder
durchstarten. |
ASTRID
MÖSLINGER. FOTO: DIETRICH BECHTEL |
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