Mit
freundlicher Genehmigung der Internationalen
Seilbahn-Rundschau veröffentlichen wir einen Artikel des Herausgebers
Dr. Josef Nejez: |
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Internationale Seilbahn-Rundschau, Juli 2002 | ||||||||||||||||||||||||||
Verteuert EU-Richtlinie die Seilbahnen? | ||||||||||||||||||||||||||
Dieser
Frage ging Dipl.-Ing Wilhelm Kaul, erfahrener Seilbahnplaner und Mitglied
verschiedener Seilbahn-Normungsgremien, in einem Referat auf den Grund,
das er im Rahmen der Österreichischen Seilbahntagung 2002 gehalten
hat. |
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Dipl.-Ing.
Wilhelm Kaul begann seine Ausführungen mit einem Rückblick auf
die Geschichte der EU--Seilbahnrichtlinie und der CEN-Seilbahnnormen (ISR-Leser
sind über diese Entwicklung gut informiert, Anm. d. Red.). Die Richtlinie
trat am 3. Mai 2000 in Kraft und sollte nach den Schlussbestimmungen im
Kapitel IX bis zum 3. Mai 2002 in nationales Recht umgesetzt werden, weitere
zwei Jahre sind als Übergangsfrist vorgesehen (siehe ISR 4/2000,
S. 39). Dieser Zeitplan konnte nicht eingehalten werden: Wie die meisten
Alpenländer ist auch Österreich mit der Umsetzung der Seilbahn-Richtlinie
in nationales Recht – als neues oder novelliertes Eisenbahngesetz
oder als eigenes Seilbahngesetz – in Verzug. Kaul rechnet mit dem
Abschluss dieser legistischen Arbeiten bis Ende 2003, sodass wahrscheinlich
2004 nach alles beim alten bleiben wird und erst 2005 die Seilbahnen nach
der EU-Richtlinie bzw. nach den CEN-Normen erstellt werden müssen. |
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Die
Seilbahnnormen des CEN sind – ausgenommen die Fahrzeugnorm –
mehr oder weniger fertig, sie wurden vom zuständigen Technischen
Komitee 242 bereits genehmigt oder stehen unmittelbar vor der Genehmigung,
sodass sie wahrscheinlich Ende 2003 formell beschlossen werden können.
Die noch nicht fertige Fahrzeugnorm sollte bis Ende 2003 soweit fertig
sein, dass wenigstens inoffiziell damit gearbeitet werden kann. |
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Auswirkungen
der Seilbahnrichtlinie |
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Was
sich an den Genehmigungsverfahren durch die Umsetzung der Richtlinie in
nationales Recht ändern wird, steht noch nicht fest. Jedenfalls erlaubt
sie den Mitgliedsstaaten, so gut wie alle Prüf- und Überwachungsaufgaben
an so genannte „Benannte Stellen“ („notified bodies“)
zu übertragen. Während sich beim Bau und der Inbetriebnahme
verfahrensmäßig wenig ändern wird – schon jetzt
wird in Österreich die Kontrolle dieser Phasen weitgehend von privaten
hierfür authorisierten Stellen wahrgenommen – stehen für
die Planungsphase große Veränderungen ins Haus. |
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Nach
den in der Seilbahnrichtlinie enthaltenen Begriffsbestimmungen besteht
eine Seilbahnanlage aus der Infrastruktur und den Teilsystemen (siehe
ISR 4/2000, Seite 38, und ISR 7/2000, Seite 44). Die grobe Unterteilung
in Teilsysteme lautet: |
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1.
Seile und Seilverbindungen, 2. Antriebe und Bremsen, 3. Mechanische Einrichtungen, 4. Fahrzeuge, 5. Elektrotechnische Einrichtungen 6. Bergeeinrichtungen. |
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Diese
Teilsysteme, Teile davon oder auch mehrere Teilsysteme gemeinsam werden
einem Prüfverfahren durch Benannte Stellen (auf Basis der Seilbahnnormen)
unterzogen, die dann eine EG-Prüfbescheinigung ausstellen, welche
dem Hersteller gestattet, diese Teilsysteme in den Verkehr zu bringen.
Die Unterlagen für diese Typengenehmigungen werden sehr umfangreich
sein und die Schnittstellen zu den anderen Teilsystemen müssen genau
definiert werden. Um die Anzahl dieser Schnittstellen zu reduzieren, werden
die Hersteller wahrscheinlich große Teilsysteme, vielleicht ganze
Typenbahnen genehmigen lassen. Hier tritt übrigens das Problem von
Änderungen an typengenehmigten Teilsystemen auf: Auch kleine Änderungen
können großen Aufwand beim Ändern der Typengenehmigung
nach sich ziehen. |
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Die
Infrastruktur wird speziell für jede Anlage geplant und jeweils vor
Ort errichtet. Sie besteht im wesentlichen aus den Teilen, die nicht typengeprüft
werden können, also der Seil- und Längenschnittsberechnung sowie
den Stations- und Streckenbauwerken einschließlich der Fundamente. Die EG-Prüfbescheinigungen hinsichtlich der Teilsysteme, die Planungsunterlagen bezüglich der Infrastruktur und Unterlagen bezüglich der Auswirkungen der Anlage auf die Umgebung sind in ihrem Zusammenwirken in einer Sicherheitsanalyse zu bewerten und in einem Sicherheitsbericht zusammenzufassen. Dieser Sicherheitsbericht entspricht etwa der heutigen Baugenehmigung. Wer diese Aufgabe der Erstellung der Sicherheitsanalyse und des Sicherheitsberichtes in Hinkunft wahrnehmen wird, wird von der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht abhängen. Jedenfalls wird für die Sicherheitsanalyse eine Fülle von Unterlagen und Gutachten erforderlich sein, die über den Umfang der derzeit erforderlichen Planungsunterlagen deutlich hinausgehen dürfte, vermutet Kaul und meint: „Ob das die Verfahren beschleunigen und die Genehmigungskosten für den Seilbahnbetreiber reduzieren wird, darf bezweifelt werden.“. |
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Europäische
Seilbahnnormen |
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Die
Gesamtnorm besteht aus insgesamt 13 Einzelnormen (siehe Kasten), von denen
einige wieder in mehrere Teile untergliedert sind. Schon die Anzahl und
der Umfang der Normen (jede einzelne etwa 50 bis 100 Seiten) lässt
die Fülle von Änderungen ahnen, die auf die Seilbahnhersteller,
Seilbahnplaner und Seilbahnbetreiber zukommen. Kaul beschränkte sich
in der Folge auf das Aufzeigen einiger Änderungen in seinem Spezialgebiet,
nämlich Projektierung und Bauwerke, die sich – bezogen hauptsächlich
auf die Vorschriftenlage in Österreich – verteuernd auf die
Seilbahnen auswirken dürften. |
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Zugsicherheit
von Förderseilen |
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Zahlenmäßig
bleibt die Förderseilsicherheit mit 4,0 gleich, jedoch nicht wie
bisher gegenüber der rechnerischen Bruchlast, sondern gegenüber
der effektiven Bruchlast (Bruchlast des Seiles im Zerreißversuch).
Da die effektive Bruchlast um 10 bis 15 % unter der rechnerischen Bruchlast
liegt, ergibt das einen um 5 bis 7 % größeren Seildurchmesser
mit allen daraus resultierenden Folgekosten. Eine weitere Zunahme des Seildurchmessers um ca. 5 % kann sich aus der Forderung nach Berücksichtigung der Genauigkeit der hydraulischen Spannvorrichtung ergeben. |
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Spurweite
in längeren Seilfeldern |
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Nach
den neuen Berechnungsmethoden für die Spurweite werden die derzeit
in Österreich angewandten Spurweiten bei Feldern ab 200 bis 300 m
Länge nicht mehr ausreichen. Die Herstellerfirmen werden daher ihre
Typenspurweiten den neuen Gegebenheiten anpassen oder – was noch
teurer käme – die nächstgrößere Typenspurweite
wählen. |
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Stützen |
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Die
CEN-Normung hat hinsichtlich der Stützen-Durchbiegung die gegenüber
den österreichischen Bestimmungen wesentlich strengere Schweizer
Vorschrift übernommen. Dadurch werden sich die erforderlichen Wandstärken
der Stützenschäfte speziell bei Niederhalte- und Wechsellaststüzen
deutlich vergrößern |
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Stützenfundamente |
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In
Zukunft müssen die Stützen- und Stützenfundamentberechnungen
nach den Eurocodes durchgeführt werden. Diese Berechnungsart ist
wesentlich komplizierter als die bisher angewandte und wird nach der Einschätzung
von Kaul um etwa 10 % größere Fundamente ergeben. Dazu kommt,
dass es laut Kaul derzeit noch kein durchgängiges Berechnungsprogramm
für die Stützen samt Fundamenten nach den Seilbahnnormen gibt,
sodass man im Moment mit einem normalen Statikprogramm eine Vielzahl von
Lastfällen rechnen müsste – „Billig ist das nicht!“,
so Kaul. |
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Rollenbatterien |
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In
Österreich musste die Beanspruchung der Rollenbatterien nur für
den Lastfall „in Betrieb“ berücksichtigt werden und die
Windkräfte durften auf alle Rollen einer Rollenbatterie aufgeteilt
werden. In Hinkunft müssen die aus einem Seilfeld resultierenden
Windkräfte durch die ersten beiden Rollen aufgenommen werden können,
was stärkere Konstruktionen – allerdings in Deutschland, Italien
und der Schweiz schon jetzt üblich – nach sich ziehen wird. |
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Bremsen |
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Wesentliche
Änderungen der bisher in Österreich üblichen Seilbahnkonstruktionen
werden die für Österreich neuen – in den anderen Seilbahnländern
üblichen – Bestimmungen über die Wirkungsweise der mechanischen
Antriebsbremsen nach sich ziehen. Zur Erinnerung: In Österreich gibt
es zwei Arten der mechanischen Bremsung, das „Not-Aus“ (Betriebsbremse)
und das „Gefahr-Aus“ (Betriebsbremse + Sicherheitsbremse).
Nach der Bremsen-Philosophie der CEN-Norm sind zwei unabhängige Bremssysteme
vorgeschrieben, die jedes für sich die zur Einhaltung des entsprechenden
Bremsweges erforderliche Bremsverzögerung garantieren müssen.
Kaul führte aus, dass dadurch die Bremsverzögerung der zweiten
Bremse wesentlich größer sein müsse, um ein allfälliges
Versagen der ersten Bremse noch innerhalb des geforderten Bremsweges zu
kompensieren. Das führe unter gewissen Umständen zu sehr hohen
Bremsverzögerungen, die wegen der Gefahr von Seilschwingungen die
derzeit in Österreich ausgeführten langen Spannfelder unmöglich
machen werden. Verminderter Fahrkomfort und hohe Mehrkosten können
die Folgen sein. |
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Umbau
bestehender Seilbahnen |
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Im
Erwägungspunkt 27 der Seilbahnrichtlinie wird gefordert, dass bei
genehmigungspflichtigen (nach den Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedsstaates)
Umbauten die Bestimmungen der Richtlinie wie bei neuen Bahnen anzuwenden
sind. „Wenn dies so gehandhabt wird – und davon ist auszugehen,
- vergessen Sie jeden Umbau, weil dann bleibt kein Stein mehr auf dem
anderen!“ warnt Kaul die anwesenden Seilbahnbetreiber. |
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Zusammenfassung |
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Die
Hoffnung der Seilbahnbetreiber, dass sich durch die weitgehende Typisierung
die Seilbahnen verbilligen werden, dürfte sich – vor allem
in Österreich - nicht erfüllen. Die - manchmal überzogen
erscheinenden – neuen Vorschriften der EU-Seilbahnrichtlinie und
der CEN-Seilbahnnormen sowie die vermutlich höheren Verfahrenskosten
werden die Synergieeffekte der Typisierung wahrscheinlich egalisieren.
„Eines müssen Sie jedenfalls beherzigen: Bahnen von der Stange
kaufen und nur keine Umbauten!“, schloss Dipl.-Ing. Wilhelm Kaul
sein Referat. |
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JOSEF
NEJEZ |
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CEN-SEILBAHNNORMEN
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