Heidelberger Neueste Nachrichten - Heidelberger Anzeiger
Montag, 6. Dezember 1926

Die Sicherheit auf der Heidelberger Bergbahn

Wem hätte nicht schon bei der Fahrt auf der Bergbahn am Königstuhl der plötzlich auftauchende Gedanke an ein Reißen des Drahtseiles gelindes Gruseln veranlaßt! Besonders auch von Fremden, die noch keine Bergbahn sahen, hört man in solchen Fällen die merkwürdigsten Gespräche. Am wenigsten Sorgen werden sich wohl die Heidelberger machen, für die die Benutzung der Bahn nichts Neues ist. Und sie tun recht daran, denn eine Nachprüfung der Sicherheitsmomente zeigt, daß keinerlei sonstige Gefahr besteht, als bei sonstigen Verkehrsmittlen, ja e h e r e i n e g e r i n g e r e, denn von Unglücksfällen auf Bergbahnen hat man sicherlich weit weniger gehört als von Eisenbahnunglücksfällen, ganz zu Schweigen vom Kraftwagen. Auf den Heidelberger Bergbahnen hat es jedenfalls

seit ihrem Bestehehen noch keinen wirklichen Unglücksfall gegeben.

Die erste Frage, die sich der Mitreisende vorlegt, lautet natürlich: "Wird der Wagen abwärtssausen, wenn das S e i l r e i ß e n würde?" Wir haben uns aus Anlaß der jetzt bei der unteren Bahn erfolgten Ausbesserungsarbeiten bei der Verwaltung der Heidelberger Straßen= und Bergbahn erkundigt und erhielten die Versicherung, daß alle nur denkbaren Einrichtungen getroffen sind, um Unglücksfälle zu verhüten. Die untere Bergbahnlinie S t a d t - S ch l o ß - M o l k e n k u r, die zuerst angelegt wurde, besitzt bekanntlich zwischen ihrem Gleis eine g e z a h n t e S ch i e n e und unter dem Wagen ein Z a h n r a d. Dieses Zahnrad läuft im allgemeinen leer mit. Die Bremswirkung in Gefahrenfällen geht unmittelbar vom Seil aus, denn das Drahtseil ist an einem Wagenteil befestigt, der zugleich eine Hebelwirkung hat und ein schweres Gewicht trägt. Das angespannte Seil hält Hebel und Gewicht in einer Ruhelage. Im gleichen Augenblick aber, in dem das Seil diesen Zug auf den Hebel n i c h t m e h r ausübt, in dem es etwa zerreißt, drückt das Gewicht den Hebel auch schon herunter und setzt damit die B r e m s e i n T ä t i g k e i t.
Diese B r e m s w i r k u n g macht sich wie folgt bemerkbar: Das Gewicht drückt mit Hilfe von Kolbenübertragung auf zwei Bremsscheiben am Zahnrad und stellt zugleich Rad und Achse fest. Die Z ä h n e des Rades stehen i n d e r Z a h n s ch i e n e still, und dadurch ist

der ganze Wagen fast augenblicklich festgehalten.

In ganz regelmäßigen Abständen werden Proben daraufhin gemacht, wie diese Bremswirkung wirkt, und man stellt dabei fest, daß der Wagen selbst an der steilsten Stelle am Schloßberg etwa e i n e n M e t e r nach dem "Riß" des Seiles hält. Diesen Seilriß kann man natürlich nicht des Erprobens wegen durchführen, sondern die Bergbahn hat eine Aufzugvorrichtung, durch die die Wagen hochgezogen werden, ohne daß sie am Seil hängen. Dadurch geht das Seil in seiner Oese zurück, d. h. der Wagen könnte auf eine Entfernung von sechs oder acht oder zehn Meter abwärts rollen und dann erst würde der Endknoten des Seiles wieder an der Oese sein und den Wagen halten. Wenn nun die Aufzugvorrichtung d u r c h e i n e n R u ck g e l ö st wird, so daß der Wagen abwärts zu rollen beginnt, so tritt stets sofort die Bremswirkung in der erwähnten Weise (da[u]rch Festsetzen des Zahnrades) in Kraft, und der Wagen rollt dabei - wie erwähnt - nur einen Meter abwärts, um dann ganz sicher und gefahrlos festzustehen.
Bei der oberen Bergbahn M o l k e n k u r - K ö n i g st u h l ist, da sie erheblich später angeglegt wurde, die Sicherung noch m o d e r n e r und gefahrenvermindernder. Diese Bahn hat bekanntlich kein Zahnrad, weshalb sie von manchen für "gefährlicher" gehalten wird. Bei ihr haben die Wagen g e w a l t i g e Z a n g e n, die immerwährend unmittelbar an den Schienen entlanggleiten. An der schwächsten Stelle haben die kantigen Schenkel dieser Zangen immer noch 7 und 10 Zentimeter Durchmesser, und von diesen Zangenbremsen sind drei an jedem Wagen vorhanden. Auch bei den Wagen der Königstuhlbahn hängt das Seil an einem H e b e l m i t G e w i ch t. Im selben Augenblick, in dem das Seil reißt oder sich soweit zu lockert, daß der Wagen abwärts zu rollen beginnt, drücken Gewicht und Hebel die beiden Schenkel der Z a n g e n zusammen, diese greifen um den Schienenkopf herum und

klammern den Wagen unmitelbar an den Schienen fest.

Der gelöste Wagen rollt, wie die Versuche regelmäßig ergaben, n i ch t m e h r a l s s i e b z i g b i s a ch t z i g Z e n t i m e t e r abwärts. Das bedeutet natürlich kaum etwas anderes, als daß er "auf der Stelle" steht.

Der W a g e n f ü h r e r hat auf die Fahrt des Wagens wenig Einfluß, denn die Fahrt wird vom M a s ch i n e n h a u s her betrieben, wo man über den Lauf des Wagens stets die genaueste Kontrolle hat, wie wohl jeder schon gesehen hat, der einmal durch Fenster oder Tür einen Blick hineingeworfen hat. Der Wagenführer hat stets die Möglichkeit, durch Berührung der elektrischen Drähte mit einem E i s e n st a b den Maschinisten zu benachrichtigen, worauf dieser entweder (je nach Art des Signals) den Wagen sofort anhalten oder den Wagenführer anrufen kann, denn auch eine F e r n s p r e ch e i n r i ch t u n g von den Wagen zum Maschinenhaus ist vorhanden. Es kommt fast nie vor, daß Wagen unterwegs halten m ü s s e n, wenn nicht zufällig ein Hindernis auf den Schienen liegt, das aber anderseits bei der langsamen Fahrt kaum jemals eine große Gefahr bedeutet haben würde. Im übrigen kann der Führer den Wagen schon durch eine H a n d b r e m s e sofort selber stoppen. Er kann außerdem kann außerdem bei den Wagen der untereren Bahn die große Bremse [?] und er hat bei den oberen eine der Zangenbremsen gewissermaßen als Gebrauchsbremse zur Verfügung. Die zweite dient für den Eventualfall ebenfalls dem Führer, während die dritte die automatische Notbremse für den Fall eines Seilbruches ist. Jede dieser drei Bremsen genügt schon allein zur sicheren Bremsung des Wagens.

Die D r a h t s e i l e sind außergewöhnlich stark, bestehen aus vielen Hunderten von Einzeldrähten und sind eingerichtet

für das Zehnfache des Gewichts,

daß sie bei der Bergbahn zu tragen haben. Die Seile müssen natürlich gut " g e p f l e g t ". z. B. ständig gut geschmiert und nachgesehen werden. Wenn hier und da ein E i n z e l d r a h t reißt, so ist das gewöhnlich leicht zu bemerken, da solche gerissenen Drähte ziemlich weit abzustehen pflegen. Es werden dann genaue M a r k i e r u n g e n gemacht, damit man die schadhaften Stellen sofort finden kann, ohne daß seine Tragfähigkeit leidet. Trotzdem werden sie natürlich so bald wie möglich ausgebessert. Und wenn ein Seil wiederholt in dieser Art ausgebessert worden ist, dann wird es vorsichtshalber bald durch ein n e u e s S e i l ersetzt, denn ein Drahtseil ist als R e s e r v e stets vorrätig. Wie gut selbst die ausgewechselten Seile noch sind, ergibt sich daraus, daß ein von der Straßenbahn verkauftes Drahseil in einem anderen Heidelberger Betrieb noch sehr lange für die Seilschwebebahn ausgezeichnete Dienste geleistet hat, ohne zu zerreißen.
Wie hieraus Ängstliche ersehen können, ist mithin

die Sicherheit außerordentlich groß

und besonders beruhigen wird die r e g e l m ä ß i g e K o n t r o l l e u n d P r ü f u n g aller Anlagen. Es ist auch eine bekannte Tatsache, daß bei allen Bergbahnen - die Schweiz allein hat eine große Menge solcher oft auf hohe Gipfel führender Bahnen in ähnlicher Art wie die Heidelberger Bergbahn - sehr wenig, fast überhaupt keine Unglücksfälle zu verzeichnen sind. Man kann sich daher nach wie vor ohne jede Unruhe unserer Bergbahnwagen anvertrauen!
-w.

 

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